Foto: privat
Das große Masterprojekt, das den Titel „Geschichte und Revitalisierung der kaschubischen Kultur“ trägt, war und ist eine kulturanthropologische und abenteuerliche Entdeckungsreise in die Kaschubei. So betraten unsere Masterstudierenden ein zwar nicht allzu fernliegendes, doch ihnen zunächst kaum vertrautes und allemal von der deutschen Kulturanthropologie bislang wenig erforschtes Terrain. Die Kaschubei liegt im Nordwesten Polens und erstreckt sich über ein westlich der Weichsel gelegenes Gebiet, das nach Norden an die Ostseeküste und Danziger Bucht grenzt. Dieser Landstrich wird u.a. von der ethnisch-kulturellen Gemeinschaft der Kaschuben bewohnt, die aufgrund ihrer Lage in dieser polnisch-deutschen Berührungsstelle in der Vergangenheit immer wieder zwischen die Fronten geriet.
Um einen Eindruck von der Kaschubei und gleichzeitig einen empirischen Zugang zum Thema zu erhalten, wurde zu Beginn des Projektes eine einwöchige, weitgehend drittmittelfinanzierte Exkursion in Kaschubei und nach Danzig angeboten. Die Teilnehmer konnten vor Ort und am konkreten Gegenstand die Möglichkeiten und Grenzen kulturanthropologischer Feldforschungsmethoden erproben und eigenständig empirisches Material erheben. Mit Feldtagebüchern und Fotokameras ausgestattet, beobachteten sie alltagskulturelle Phänomene, besuchten diverse wissenschaftliche Einrichtungen und Museen und führten Wanderungen durch die südkaschubische Landschaft durch. An der Exkursion partizipierten zudem fünf polnische Studierende vom Germanistischen Institut der Universität Danzig, mit dem im Rahmen des Projektes eine wundervolle Kooperation initiiert werden konnte. Somit hatte die Exkursion sowohl für die Studierenden als auch für die sie begleitenden Dozenten das Format einer internationalen, interdisziplinären, wissenschaftlichen und zugleich freundschaftlichen Begegnung.
Im Anschluss an die Exkursion beschäftigten wir uns mit der wechselvollen kaschubischen Geschichte, den volkskundlichen Erkundungen der Kaschubei an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert, den kaschubischen Fremd- und Selbstbildern, den Revitalisierungstendenzen der kaschubischen Sprache und Folklore und entwickelten darüber hinaus ein Analysemodell zur Auswertung des eigenen empirischen Fotomaterials.
Im Wintersemester setzen wir die kulturanthropologische Erkundung der Kaschubei fort und dürfen wir uns nun auf unsere Gastprofessorin und Expertin auf dem Gebiet der kaschubischen Literatur und Kultur Frau Dr. Miłosława Borzyszkowska-Szewczyk von der Universität Danzig freuen, die das Projekt inhaltlich und organisatorisch bereichern und begleiten wird. Das im ersten Semester gesammelte Wissen über die Kaschubei wird einerseits vertieft, doch sollen nun auch neue inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden: Der Blick richtet sich dann u.a. auf die kaschubische Literatur, die Religiosität der Kaschuben, die jüdischen Spuren in der Kaschubei, die kaschubische Bewegung in der Wissenschaft und aktuellen Politik. In den Übungen werden wir konzentriert auf die Präsentation der im Projekt erzielten Ergebnisse hinarbeiten: Eine eigene Fotoausstellung. Diese ist als Wanderausstellung konzipiert und wird zuerst in der Mainzer „Schule des Sehens“ und anschließend in der Universität Danzig gezeigt. Hierzu werden die Studierenden ein Ausstellungskonzept entwerfen, das in der Kaschubei erhobene Fotomaterial für die Ausstellung aufbereiten und einen Ausstellungskatalog verfassen.
Und erneut wird die Kaschubei zu einer wissenschaftlichen, interdisziplinären und kreativen deutsch-polnisch-kaschubischen Berührungsstelle.