Die polyzentrische Metropolregion Rhein-Neckar erstreckt sich über Teilgebiete der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg und zeichnet sich durch eine besondere Diversität ihrer Gebiete und der darin lebenden Menschen aus. Sie beschreibt sich als „Deutschlands inspirierendste und abwechslungsreichste Region“. Aber wie beschreiben sie die in ihr lebenden Menschen? In der „Kulturvision Rhein-Neckar“ wird neben überregionalen Kooperationen sowie der Förderung von Kulturtourismus eine Profilbildung anvisiert, die über die Entwicklung von Narrativen, die die Region beschreiben und eine Identifikation mit ihr ermöglichen sollen, erzielt werden soll. Als Kooperationspartner der Region wollten wir diese Prozesse wissenschaftlich begleiten, uns aber auch selbst auf die Suche nach regionalen Charakteristika und der besonderen Diversität der Region machen, indem wir sie zum „Feld“ für die Frage nach lokalen und regionalen Zugehörigkeiten erklärten. So galt es in den vergangenen Monaten, die Region kennen zu lernen, mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern zu sprechen, sich deren mentale Landkarten zu erschließen, Kulturveranstaltungen zu ethnografieren und die Fülle entstandenen Materials auszuwerten.
Insgesamt zehn Studierende führten in den „Metropolen“ Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg, aber auch in kleineren Ortschaften zahlreiche Interviews. An insgesamt 19 Intervieworten auf einem gut 2.600 Quadratkilometer umfassenden Raum zwischen Rheindürkheim im Norden, Maikammer im Westen, Wiesloch-Baiertal im Süden und Langenthal im Osten sprachen wir mit Obdachlosen und Polizisten, mit Hebammen und Fotografen, mit Pfadfindern und Regionalkrimiautoren, mit Rentnern und Studierenden, mit Blinden, die mit uns spazieren gingen, um uns zu zeigen, wie sie die Region wahrnehmen – mit insgesamt 32 Menschen, die uns in ihrem Zuhause, in ihrem Büro oder ihrer Praxis empfingen, die uns Fotos aus ihrem Leben zeigten, uns ihren Familien vorstellten und einen Teil ihrer Lebensgeschichten mit uns teilten.
Neben dem Vertiefen und Anwenden volkskundlich-kulturanthropologischer Methoden sowie inhaltlicher Fokussierung auf die Regionalforschung bietet das Projekt nicht zuletzt auch praxisrelevante Einblicke in den Bereich Regionalmarketing und Kulturarbeit, denn es findet in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro MRN (Anna Hahn) sowie dem Kulturkoordinator der Stadt Worms, Volker Gallé, statt. Auf der Basis gemeinsamer Interpretationen des Materials entstehen derzeit wissenschaftliche Aufsätze zu unterschiedlichen Themen wie narrativen Strategien der Raumaneignung, der Bedeutung von Sinneswahrnehmungen in den Erzählungen zur Region, zu Raumhierarchisierungen oder zum Einfluss von Mobilität auf Raumwahrnehmung. Die Texte werden in der Zeitschrift „Volkskunde in Rheinland-Pfalz“ 2018 publiziert, zusätzlich entsteht ein Podcast über das Projekt, in dem ausgewählte Interviewpartner zu Wort kommen.
Das Projekt sowie erste Ergebnisse stellten die Studierenden Freya Gahler-Lang und Tim Becker gemeinsam mit Sarah Scholl-Schneider am 9. März 2018 in Mannheim vor dem „Bund der Kreise und Kommunen“ vor. Im Rahmen einer Exkursion der Gesellschaft für Volkskunde in Rheinland-Pfalz e.V. am 16. Juni 2018 in die Metropolregion Rhein-Neckar (Worms, Hambacher Schloss, Bad Dürkheim) präsentierten die Studierenden die Publikation in Worms.
Unter dem Titel „Ethnografische Erkundungen in der Metropolregion Rhein-Neckar“ erschien die 33. Ausgabe (Heft 1) der „Volkskunde in Rheinland-Pfalz“ im Juni 2018.
2019 wurde die Projektgruppe für den Nachwuchspreis „Pfalzpreis für pfälzische Geschichte und Volkskunde“ nominiert.
Weitere Informationen über die Publikation, die Exkursion sowie den Podcast zum Projekt finden Sie hier.