Recht gläubig?

Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf das Verhältnis von Religion und rechtlicher Normierung im Alltag

Tagung der Kommission für Religiosität und Spiritualität in der dgv vom 13.–15. September 2018

Im Fokus der Tagung steht das Verhältnis von Religiosität sowie Spiritualität und Recht im Alltag. Der zugrunde liegende Rechtsbegriff ist dabei ein weiter und fasst sowohl geschriebenes gesetztes als auch ungeschriebenes Recht. Anhand konkreter Beispiele aus Vergangenheit wie Gegenwart soll den Bezugs- und Spannungsfeldern von institutionalisierten geltenden Rechten, also staatlichen, überstaatlichen, kirchlichen, religionsspezifischen Gesetzen und deren Auslegungen, sowie lokalen Vorstellungen von Recht und Rechtsempfinden (Stichwort Rechtspluralismus) und religiösen beziehungsweise spirituellen Praktiken nachgegangen werden. Nicht zuletzt zeigen sich diese Bezugs- und Spannungsfelder auch in gesellschaftlichen Diskursen darüber.

Der thematische Zuschnitt ist motiviert durch die Beobachtung, dass der Komplex Recht und Alltagskultur in der deutschsprachigen kulturwissenschaftlichen Forschungslandschaft momentan auffallend wenig Beachtung findet. Das derzeitige Nischendasein einer qualitativen Erforschung der Interdependenz von Recht/Rechtsvorstellungen und alltäglichem Handeln mag irritieren, haben ältere Bemühungen seitens der Rechtlichen Volkskunde, der Rechtsethnologie und auch der Rechtssoziologie doch aufzeigen können, wie fruchtbar die angesprochene Perspektive für die Kulturanalyse im Allgemeinen und die Deutung religiöser und spiritueller Phänomene im Besonderen sein kann. Erinnert sei allein an die einschlägigen Arbeiten von Karl-S. Kramer, Rüdiger Schott sowie Keebet und Franz von Benda-Beckmann.

Die Tagung eröffnet damit auch die Möglichkeit, einerseits bislang eher wenig beforschte Felder der Kulturwissenschaften entdecken zu können, andererseits aber auch scheinbar überforschten Gebieten neue erkenntniserweiternde Facetten abzugewinnen.

Die kulturwissenschaftliche Perspektivierung rückt die handelnden Akteure ins Zentrum des Erkenntnisinteresses und empfiehlt für differenzierte Portraits und Deutungen eher ethnographisch ausgerichtete mikroanalytische Vorgehensweisen. Ausdrücklich angesprochen wurden aber auch Forscherinnen und Forscher, die aus anderen disziplinären Blickwinkeln und mit anderem methodischen und theoretischen Rüstzeug der „gesellschaftlichen Wirkung von Recht“ (Benda-Beckmann) nachspüren. Ein interdisziplinärer Gedankenaustausch ist somit ausdrücklich erwünscht. Die Tagung bietet die Möglichkeit, laufende Projekte und bislang nicht publizierte Forschungen vorzustellen. Neben einer thematischen Vielfalt sollen auch unterschiedliche Zugänge zu produktiven Diskussionen über die Potentiale und Probleme der Erforschung religiöser/spiritueller Phänomene im Alltag anregen.