MA Ü. Datennacherhebung und Aufbereitung: Urbane Nischen. Ethnographische Erkundungen in den Hinterhöfen des Wiesbadener Westends
Dozent:innen: Dr. Jonathan RothKurzname: Ü DatennAufb.
Kurs-Nr.: 05.174.665
Kurstyp: Übung
Format: online
Inhalt
Die anhaltende Corona-Pandemie erfordert Anpassungen bei der Umsetzung des Projektes. Entgegen der ursprünglichen Planung wird die ethnographische Stadtteilerkundung nicht mit einem hohen Präsenzanteil im Westend erfolgen können. Hier werden wir alternative Strategien probieren und entwickeln müssen. Zunächst werden sich die Recherchen überwiegend auf digitale Quellen und Methoden stützen und Begehungen vor Ort nur Kleinstgruppen bzw. über Stream erfolgen. Ein regelmäßiger Austausch in Videokonferenzen und Einzelgesprächen ist vorgesehen.Inhaltlich bleibt die Ausrichtung des Projektes weitgehend unverändert, der Fokus richtet sich lediglich stärker auf die gegenwärtige Situation. Durch das Leben im Lockdown erfährt die Nutzanwendung individueller urbaner Nischen, gerade in Hinterhöfen, eine neue Relevanz. Zugleich geraten soziokulturelle Institutionen, die sich in den Nischen des Stadtteils befinden und von dort auf den Stadtteil einwirken, in eine existentielle Notlage. Die Auswirkungen der Krise auf diese Institutionen und damit auf den Stadtteil ist noch nicht abzusehen. Diese Entwicklung live zu beobachten wird zumindest in der Anfangsphase das Projekt prägen. Zugleich wird auch weiterhin versucht werden, die Historizität des Stadtteils sowie ausgewählter Orte in die Erkundung einzubeziehen und ggf. in einen Dialog mit der aktuellen Situation zu bringen. Inwiefern die Ergebnisse unserer Erkundung in einen Stadtrundgang oder eine ähnliche Intervention in den öffentlichen Raum münden können, wird unter dem Eindruck der weiteren Entwicklungen zu entscheiden sein
Im Reader erfahren Sie zum Semesterstart (20.4.) nähre Hinweise zum Projektstart. Dort erhalten Sie auch Zugangsinformationen zur Projektseite auf der Plattform OLAT, über die wir die weitere Projektarbeit organisieren werden. Mit einer Mail-Abfrage an Sie zu Beginn des Semesters werde ich zudem in Erfahrung bringen und sicher stellen, dass alle Studierende über die notwendigen Ressourcen und Rahmenbedingungen verfügen, um den eigenen Anlagen entsprechend aktiv am Projekt teilnehmen zu können.
„Da spazierten die Menschen hier unten vorüber und hatten keine Ahnung, wie verrückt es hinter den Mauern zuging. Die märchenhafte Begabung, durch Mauern und verhängte Fenster zu blicken, war eine Kleinigkeit gegen die Leistung, das, was man dann sähe, zu ertragen“
Erich Kästner, Fabian
Für das „Große Projekt“ 2020/21 überqueren wir den Rhein und schauen hinter die Fassaden eines besonderen Wiesbadener Stadtteils, des „Westends“. Das Westend gilt als Problembezirk und Trendviertel. Es ist der kleinste Bezirk Wiesbadens und einer der am dichtesten besiedelten Stadtteile Deutschlands. In den Altbauquartieren aus der Jahrhundertwende liegen Start-ups neben Handy-Shops, Handwerksbetriebe neben Szenekneipen und Luxus- neben Sozialwohnungen. Es ist ein Viertel mit multikulturellem Flair, etwa 50 Prozent der Bewohner haben einen Migrationshintergrund. Eines bietet das Westend kaum: Platz. In den dicht bebauten Straßenzügen sind nahezu keine offenen Plätze zu finden. Die Nachbarschaft organisiert sich in Nischen.
Im Rahmen des Großen Projektes widmen wir uns diesen „urbanen Nischen“ und fragen nach der Aneignung und Bedeutung von Lebensraum im Westend in Geschichte und Gegenwart. Als „urbane Nischen“ werden dabei vor allem konkrete Räume und Institutionen in den Hinterhöfen des Viertels angesprochen, die eine soziale Funktion im Viertel erfüllen (z.B. freie Kunsträume, soziokulturelle Zentren, Wohnprojekte oder Stadtteiltreffs). Darüber hinaus wird mit „Nische“ auf das „Hinterhöfische“ in einem übertragenen Sinn verwiesen, auf die abseitigen, auch problematischen Facetten des Stadtlebens im Westend, jenseits der Postkartenidylle der Kurstadt Wiesbaden. Hinterhöfe können Parkraum oder Müllhalde, Gewerbefläche oder Spielplatz, Veranstaltungsort oder Brache sein. Der Hinterhof ist der ungeschönte Alltagsort, an dem die Diversität des Stadtlebens in einer multikulturellen, zwischen Verwirklichung und Begrenzung changierenden Gesellschaft zum Ausdruck kommt.
Diese Diversität sichtbar zu machen, ist Thema des Großen Projektes. Im Sommersemester 2020 begeben wir uns dazu auf eine ethnographische Erkundung des Westends, um mithilfe von Ansätzen aus der Stadtanthropologie und der Ästhetischen Forschung charakteristische urbane Nischen in den Hinterhöfen des Stadtteils auszumachen. Anhand archivalischer Quellen, Befragungen und Beobachtungen gilt es dann, für ausgewählte Hinterhöfe ihre Nutzungsformen und -veränderungen zu untersuchen. Wie sahen die Höfe zu ihrer Entstehungszeit aus und wie hat sich ihre Nutzung und Gestaltung verändert? Was erzählen diese Hofgeschichten über den Wandel lokaler Lebenswelten im Stadtteil in den letzten 120 Jahren, z.B. von Kindern, Migranten, Kulturschaffenden oder Senioren? Die Ergebnisse dieser Erkundung werden in ethnographischen Portraits über einzelne Hinterhöfe und ihre Bedeutung als urbane Nischen zusammengefasst.
Im zweiten Teil des großen Projektes, im Wintersemester 2020/21 widmen wir uns dann der Aufbereitung der Ergebnisse. Auf Grundlage der Hinterhof-Portraits erstellen wir einen „alternativen Stadtteilführer“, der die Geschichte und Funktion der urbanen Nischen vermittelt. Im Seminar werden wir uns dazu mit verschiedenen Veröffentlichungsformen beschäftigen (Broschüre, Audiowalk oder Augmented-Reality) und ein handhabbares Format festlegen. Zum Abschluss des Großen Projektes wird schließlich eine besondere Präsentationsform angestrebt: Den Ansätzen des site specific theaters und der Stadtraumsinszenierung im Forschenden Theater folgend, entwickeln wir auf Grundlage des alternativen Reiseführers einen performativen Stadtrundgang, der an ausgewählten Stationen die jeweiligen Nischen szenisch erlebbar macht. Auf diese Weise werden die Hinterhöfe zum Spielraum ihrer eigenen Lebensraumgeschichte.
Das große Projekt bietet den Teilnehmenden damit die Möglichkeit, in einem räumlich fokussierten Setting eigene thematische Schwerpunkte zu legen und mit verschiedenen methodischen Ansätzen sowohl gegenwartsorientiert als auch historisch zu forschen. Mit der Präsentationsform eines Stadtteilführers bzw. eines performativen Stadtrundgangs legen wir dem Vorhaben zudem einen kulturpraktischen Ansatz zugrunde, der auf eine öffentlichkeitswirksame Form der Aufbereitung ethnographischen Wissens abzielt.
Termine
Datum (Wochentag) | Zeit | Ort |
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06.11.2020 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
13.11.2020 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
20.11.2020 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
27.11.2020 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
04.12.2020 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
11.12.2020 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
18.12.2020 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
08.01.2021 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
15.01.2021 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
22.01.2021 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
29.01.2021 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
05.02.2021 (Freitag) | 12:15 - 13:45 | |
12.02.2021 (Freitag) | 12:15 - 13:45 |