Mainz 1960 bis 1980 in den Fotografien von Viktor Brüchert
Ein Jahr lang beschäftigten sich Master-Studierende des Faches Kulturanthropologie/Volkskunde mit ausgewählten Themen aus dem bis dahin unveröffentlichten Fotonachlass des Mainzer Fotografen Viktor Brüchert (1946–2007). Die Ergebnisse der archivalischen Recherchen und Auswertungen von Interviews mit Zeitzeug*innen sind nun in einer Buchpublikation festgehalten. Für einen Zeitraum von fast zwei Monaten (9.10. bis 22.11.2020) werden ausgewählte Fotos darüber hinaus im Rahmen einer Ausstellung im Stadthistorischen Museum Mainz der Öffentlichkeit präsentiert.
In seinen Fotografien widmete sich Viktor Brüchert auf vielfältige Weise dem Mainzer Stadtleben. So lichtete er beispielsweise unterschiedliche Etappen der Altstadtsanierung sowie jugend- und subkulturelle Ereignisse wie Beat-Veranstaltungen in den 1960er-Jahren ab. Größere gesellschaftspolitische Themen spiegeln sich in seinen Aufnahmen einer 1. Mai-Kundgebung, des „Tags des ausländischen Mitbürgers“ oder der Mini-Pressen-Messe 1979, einem Forum für das alternative Verlagswesen und Lebensentwürfe abseits des Mainstreams. Die Fotos vermitteln zudem Einblicke in das Spannungsverhältnis von Festen, urbanem Alltag und Alltagsproblemen (Stichwort: fehlende Kindergartenplätze). Viktor Brücherts Fotografien ermöglichen somit einen aufschlussreichen Blick auf diverse Entwicklungen, auf Alltägliches und Vergessenes der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt in diesen Jahrzehnten.
Die aus der Projektarbeit entstandene Publikation „Ansichtssache – Mainz 1960 bis 1980 in den Fotografien von Viktor Brüchert“ – zugleich Themenheft der Zeitschrift Volkskunde in Rheinland-Pfalz – würdigt das Schaffen des Fotografen. Etliche seiner Arbeiten werden einem interessierten Publikum zugänglich gemacht sowie in die zeitgeschichtlichen und soziokulturellen Kontexte eingeordnet. Die Themenzusammenstellung zeichnet ein Bild des fotografischen Schaffens von Viktor Brüchert, das neben dessen Spaß an pikaresker Selbstinszenierung vor allem sein Interesse an den Geschehnissen in seinem sozialen Nahbereich und seiner alltagskulturellen Lebenswelt zeigt. Die enge Koppelung von biografischer Erfahrung und fotografierter Sujets lässt sich in der getroffenen Auswahl an Themen deutlich erkennen. Die 276 Seiten umfassende Veröffentlichung bietet neben zahlreichen Abbildungen eine Einführung zum kulturanthropologischen Umgang mit dem Fotonachlass sowie 28 Texte der Projektteilnehmer*innen zu verschiedenen Themen. Diese Einzelthemen sind in acht Themenschwerpunkten zusammengefasst, denen jeweils ein kurzer Überblickstext vorangestellt ist. Dadurch wird - so die Hoffnung der Projektgruppe - eine aussagekräftige Selektion getroffen und in einem Tableau angeordnet, das die Person des Fotografen, seine Fotos, deren Entstehungszeit und seine Heimatstadt Mainz in angemessener Weise wiedergibt. Den Abschluss des Bandes bildet ein Nachwort von Michael Simon, der in einem Überblick eine vorläufige Bilanz der großen Masterprojekte des Mainzer Faches Kulturanthropologie/Volkskunde der vergangenen acht Jahre zieht.
Das Buch ist mittlerweile ausverkauft und kann nicht mehr online über die Gesellschaft für Volkskunde in Rheinland-Pfalz e.V. bezogen werden!